«Eros, von einer Biene gestochen,
als er an einer Rose gerochen
Lief weinend in Venus’ Arme:
liebe Mutter, ich sterbe, erbarme,
Eine fliegende Schlange biss
mich schmerzhaft in die Wange.»
Anakreon, 6 Jh. v.Chr.
Der Bienenstich, und somit auch das Bienengift, verursacht wohl Schmerz, verfügt aber auch über vielfältige biologische Heilwirkungen.
Frisch geschlüpfte Bienen haben noch kein Gift. Nach zwei bis drei Tagen beginnen die Giftdrüsen Bienengift zu produzieren. Zwei bis drei Wochen alte Bienen besitzen am meisten Gift. Durch eine spezielle Sammeltechnik können grössere Mengen Bienengift gewonnen werden. In der Schweiz gibt es keine kommerzielle Bienengiftproduktion.
Schwellung nach einem Bienenstich. Wenn die Biene den Menschen oder ein Säugetier mit elastischer Haut sticht, so bleibt der Stachel mitsamt dem Stechapparat in der Haut hängen. Die Biene stirbt nach zwei bis drei Tagen.
Die auffallendste biologische Wirkung des Bienengifts für den Menschen ist die schmerzhafte lokale Entzündung, die mit einem Bienenstich verbunden ist.
Was tun nach einem Bienenstich? Normalerweise treten nach einem Bienenstich «nur» starke Schwellungen an der Einstichstelle auf. Diese können sofort durch allgemeine Massnahmen behandelt werden (siehe Kasten).
Die Gefahr bedrohlicher toxischer Reaktionen besteht ab ca. 50 Stichen bei Kindern und ab 100 bis 500 Stichen bei Erwachsenen. In diesem Fall müssen die Patienten hospitalisiert werden.
Stiche in der Umgebung der Augen, an der Schläfe oder ins Auge selbst sind immer gefährlich und erfordern deshalb – und auch wegen der starken Schmerzen und Schwellung – sofortige ärztliche Hilfe. Zur Sofortbehandlung spült man das Auge mit reichlich kaltem klarem Wasser, bis der Schmerz nachlässt.
Besonders gefährlich sind Stiche in die Zunge oder in den Schlund. Wegen der raschen Anschwellung der Schleimhaut droht in kürzester Zeit der Erstickungstod. Hier kann nur der unverzüglich zu rufende Notarzt helfen. Bis zu seinem Eintreffen lutscht man Eiswürfel oder gibt schluckweise eisgekühlte Getränke, damit sich die Schwellung nicht zu rasch ausbreitet.
Stachel entfernen: Wenn die Biene einen Menschen gestochen hat, bleibt ihr Stachel mit der Giftblase in der Haut stecken. Er muss als erstes entfernt werden. Dazu wird der Stachel seitlich mit dem Fingernagel herausgewischt. Nie mit beiden Fingern anfassen, damit sich die Giftblase nicht vollends ins Gewebe entleert.
Kühlen: Danach kühlt man die brennende, juckende und schmerzende Einstichstelle durch kalte Umschläge mit Essigwasser (1 Teil Essig auf 2 Teile Wasser) «Coldpacks» oder Eiswürfel, Kältespray oder Alkohol. Auch die Auflage von frischen Zwiebelscheiben oder Propolis-Tinktur kann helfen. Die betroffene Körperstelle ruhig stellen und womöglich hochlagern.
Arztbesuch: Treten grössere Schwellungen, stärkere Schmerzen oder in den Tagen danach rote Streifen unter der Haut auf, muss der Arzt aufgesucht werden. Normalerweise lassen die Beschwerden rasch nach. Innerhalb von ein bis drei Tagen heilt der Einstich.
Besonders gefährlich sind Bienenstiche für allergische Personen. Ca. 5 % der schweizerischen Bevölkerung reagieren allergisch auf Insektenstiche von Bienen, Wespen, Hornissen oder Hummeln.
Notfalltherapie von Bienengiftallergikern
Nach Bienenstich Tabletten, die der Arzt zusammengestellt hat, sofort einnehmen.
Adrenalin (z.B. Epipen) bereitstellen, bei Eintreten von allgemeinen Reaktionen wie Rötung, rote Schwellungen, Juckreiz, Schüttelfrost, Erbrechen, Übelkeit oder Atemnot sofort intramuskulär oder subkutan applizieren.
Der Notarzt muss beim geringsten Verdacht auf eine allgemeine Reaktion sofort gerufen werden, um Komplikationen, im Extremfall einen tödlichen Ausgang, zu verhüten.
Zur Soforthilfe wird der Schockpatient flach gelagert und warm zugedeckt. Tritt ein Herz- und Atemstillstand ein, müssen Mund-zu-Mund Beatmung und Herzmassage bis zum Eintreffen des Arztes durchgeführt werden – aber nur von Personen, die dies in einem Erste-Hilfe-Kurs erlernt haben. Alle weiteren Massnahmen ergreift der Notarzt.
Personen mit Bienengiftallergie können sich gegen das Gift desensibilisieren lassen. An allen Universitätspitälen der Schweiz kann eine Desensibilisierung durchgeführt werden. Führend auf dem Gebiet der Desensibilisierung gegen Insektenstiche ist die Medizinische Klinik des Ziegler Spitals, Bern, Leiter Prof. U. Müller. Die Durchführung einer sicheren Desensibilisierung erstreckt sich über drei bis fünf Jahre. Allergischen Imkern ist eine Desensibilisierung unbedingt empfohlen.